Ich las, sah, hörte: Medien im Oktober 2016

TV/Serie/DVD

Amanda Knox

Ich habe den Fall Amanda Knox und die Prozesse gegen sie, Raffaele Sollecito und Rudy Guede seinerzeit natürlich wahrgenommen, aber nicht besonders aufmerksam verfolgt. Diese Dokumentation schildert den Verlauf der Untersuchungen und der Prozesse, und er tut das großartig. Vermutlich ist es auch für jemanden spannend, der den Ausgang kennt, für mich war es umso packender. Besonders bemerkenswert ist, dass sich nicht nur Amanda Knox und Rafaele Sollecito vor der Kamera äußern, sondern auch der damals leitende Ermittler und ein Daily-Mail-Reporter. Wie der Film diese beiden sich bloßstellen lässt, ohne süffisant oder gar filmisch unredlich zu werden, ist sehenswert. Beide reden sich einfach um Kopf und Kragen, obwohl sie bald zehn Jahre nach dem Beginn des Falls genug Zeit zur Reflektion gehabt hätten. Sehr sehenswert!

Der 13.

Der Film stellt auf eindringliche Weise dar, wie der 13. Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung, der die Sklaverei abschaffte, dennoch die Grundlage dafür schuf, dass Schwarze in den USA auch Hundert Jahre später noch kriminalisiert werden – nämlich um über ihre kostenlose Arbeitkraft verfügen zu können. Es geht darum, wie die Nixon-Regierung diese Politik im Verborgenen aktiv betrieb und wie sich noch Bill Clinton von der Tradition leiten ließ, nach der kleine Vergehen mit Gefängnis geahndet werden. Im Ergebnis haben die USA die höchste Zahl von Gefangenen in der Welt, und ein überproportionaler Anteil davon sind Schwarze.

Muss man gesehen haben. Augenöffnend.

Man vs Snake: The Long and Twisted Tale of Nibbler

Eine nerdige, unterhaltsame Dokumentation über die erfolgreichen und auch die erfolglosen Versuche, den Weltrekord im Nibbler-Spielen zu brechen. Nibbler ist im wesentlichen eine Art Snake mit Bonuspunkten in einem Irrgarten. Das Spiel ist nichts besonderes, außer in einer Hinsicht: Es bietet als eines der wenigen (als einziges?) einen neunstelligen Score, der wieder auf Null springt, wenn er voll ausgeschöpft wurde. Das heißt: Man kann bei Nibbler eine Milliarde Punkte erreichen. Kleiner Haken daran: Das dauert ca. 40 Stunden. Einen Nibbler-Weltrekord aufzustellen ist also ein echter Marathon.

Witzig ist, dass sich 27 Jahre lang niemand mehr um den Weltrekord gekümmert hatte, bis der vermeintliche Rekordhalter Tim McVey, ein Amerikaner, erfährt, dass sein Rekord schon kurz nach dem Aufstellen in den 80ern von einem Italiener gebrochen wurde. Er fühlt sich herausgefordert, sich seinen Rekord zurückzuholen. Mittlerweile ist er ein über 40 Jahre alter, wohlbeleibter Vollnerd, der in einer Kleinstadt mit seiner Frau und seinem Hund lebt und immer noch mit dem BMX-Rad durch die Gegend jückelt.

Die Story hat noch deutlich mehr Wendungen und Gegenspieler, aber am Ende ist es einfach eine liebenswerte Doku darüber, wie sich Menschen für völlig unwichtige Dinge begeistern können. Die ironische Überhöhung, die jederzeit mitschwingt, ist vielleicht nicht immer beabsichtigt, aber sie lässt einen den ganzen Film über schmunzeln.

Sehr unterhaltsam!

Frank

Frank ist ein Avantgarde-Pop-Musiker, Kopf einer Band, der eine Maske trägt. Immer. Jon ist ein junger, naiver Keyboarder, der unversehens in Franks Band gerät. Der Film dreht sich darum, die die Band in ein entlegenen Waldhütte ein Jahr lang ihre neue Platte aufnimmt. Der Film wird nicht langweilig und lebt natürlich von dem Geheimnis um die Maske. Wenn es aber darum geht, aus der Metapher eine wahrhaftige Botschaft zu machen, die offensichtlich mit Selbstbewusstsein und schließlich auch mit Selbstentdeckung zu tun hat, springt mir der Film zu kurz. Letztlich bleibt er zu gimmickhaft.

Musik

Wilco: Schmilco

Eine neue Platte von Wilco also. Muss man haben. Lohnt sich auch. Begeistert aber, wie meistens, eher auf der langen Strecke. Besonders gut gefällt mir, dass „Schmilco“ näher an Uncle Tupelo ist als die meisten Platten davor.

Against Me!: Shape Shift With Me

Nun also der Nachfolger des ganz großen „Transgender Dysphoria Blues“ und des Coming-Outs von Laura. Shape Shift With Me ist eine solide Platte geworden, fängt angenehm punkig und sperrig an, hat dann aber doch immer wieder die melodischen Punkrock-Songs, die beim letzten Mal eingeführt wurden. Angenehm, aber nicht weltbewegend.

Conor Oberst: Ruminations

Ist ja wohl nicht das schlechteste, wenn man für Bob Dylan gehalten wird, wenn die Platte beim Treffen mit Freunden im Hintergrund läuft. Klar, die Mundharmonika ist eine etwas überdeutliche Flagge für „Ich bin ein introvertiertes Folk-Album“. Aber wenn dann Songs kommen, die so gut sind wie alles, was Conor Oberst in den letzten zwanzig Jahren gemacht hat, dann gibt es keinen Grund sich über irgendwas zu beschweren. Dann kann man diese Platte nur wieder und wieder und wieder auflegen und sich immer tiefer in die Lieder bohren. Platte des Monats.

The Jayhawks: Paging Mr. Proust

Da sind sie immer noch, die Jayhawks, und kein bisschen vom Glanz ihrer ersten Platten ist verblasst. Einige ihrer Songs gehen immer noch auf Anhieb so ins Ohr, als würde man sie seit Jahren kennen, und bleiben doch konsequenter Alt-Country. Gary Louris Stimme hat auch mit über 60 Jahren immer noch die Höhe und die Kraft und  das schmelzig Schneidende, das Jayhawks-Songs schon immer geadelt hat. Geeignet auch für Jayhawks-Neueinsteiger (dann mit Hollywood Town Hall weitermachen).

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