Kurz reingeschaut: District 9

Ich muss sagen, dass ich mich selten so betuppt gefühlt habe. Der sagenhaft geile Trailer ließ mich nur noch die Überschriften und die Fazits von ein paar wenigen Rezensionen lesen. Insofern bin ich vielleicht selbst Schuld, nicht vorher gewusst zu haben, dass der Trailer mit dem eigentlichen Film nichts zu tun hat. Was sich in der Vorschau als Rassismus- und Sozial-Metapher darstellt, ist in Wirklich doch nur Popcorn-Action-Kino mit Explosionen, großen Waffen, High-Tech-Schnickschnack und einem zugegebener Maßen sehr coolen Mech.

Der Reihe nach: Wikus Van De Merwe ist ein rückgratloser, leicht dümmlicher Karrierist. Weil er der Schwiegersohn des Chefs der MNU ist, wird er mit einer wichtigen Mission beauftragt: Er soll die Evakuierung von 1,8 Mio Außerirdischen aus District 9 leiten. Die vor 20 Jahren unfreiwillig in Johannesburg gelandeten und von den Menschen seitdem ghettoisierten Aliens sollen in Disctrict 10 abgeschoben werden, der hunderte Kilometer von der Stadt entfernt liegt. Bei der Aktion wird Van De Merwe versehentlich mit einer Flüssigkeit infiziert, die seine genetische Umwandlung in einen Außerirdischen verursacht. Da die mächtigen Waffen der Aliens nur von Trägern ihrer artspezifischen DNS bedient werden können, wird Van Der Merwe zum militärischen Forschungsobjekt degradiert, dessen Tod bei den Untersuchungen billigend in Kauf genommen werden würde. Er entkommt, und die eigentliche Story beginnt: die seiner Flucht.

Leider wird die sozialkritische Grundstory ab diesem frühen Punkt des Films zum reinen Sprungbrett degradiert. Was eine packende, im Mockumentary-Stil gefilmte Parabel hätte werden können, wird und bleibt nun schnell Popcorn-Kino, das weniger Gesellschaftskritik enthält als „Shrek“.

Wahrscheinlich war einfach das Budget zu groß. Denn von den immer wieder erwähnten „nur“ 30 Mio Dollar kann man sich eben doch eine Menge Aliens rendern lassen, und es bleibt offensichtlich immer noch genug für einen Mech und zahllose Explosionen übrig. Hätte man Regisseur Neill Blomkamp die Hälfte des Budgets gestrichen, dann hätte er sich vielleicht überlegen müssen, wie man ein Ghetto klischeefreier und einfühlsamer darstellt und wie man seit Enemy Mine Freundschaften zwischen Menschen und Aliens erzählt. Vielleicht hätte er sich aber auch in der Zeit, die er nicht mit dem Rendering von Alien-Waffen-Effekten verbracht hätte, einfach noch mal das Drehbuch vorgenommen und ein paar der klaffendsten Logiklücken* geschlossen. Und am Ende hätte er sich sogar ein künstlerisch schlüssiges Konzept überlegen können, in dem der begonnene Mockumentary-Stil nicht ind er Mitte des Films ohne Kommentar vergessen wird und ohnehin nie mit echter Bedeutung aufgeladen wird, beispielsweise indem er Erzählebenen oder -perspektiven trennen würde.

So geht der Film also nach 15 seiner immerhin 112 Minuten in wildem Geballer und in zunehmend kitschiger Heldenromantik unter. Immerhin bleibt das Ende offen. Doch über reine Unterhaltung, die allerdings nie langweilt, kommt Disctrict 9 nicht mehr hinaus.

Eine vergebene Chance, 7 von 10.

*(Achtung SPOILER) Logiklücken in Disctrict 9:

– Warum rekrutiert der Staat nicht wenigstens vorübergehend einfach Aliens zur Bedienung ihrer eigenen Waffen? Unter eine Population von 1,8 Mio, die zudem noch drogenabhängig sind, müssten sich doch genug Söldner finden lassen.
– Warum telefoniert Van Der Merwe, auf der Flucht, mehrfach mit einem Handy, das er dann auch noch bei sich behält, wodurch er natürlich aufgespürt wird?
– Warum soll gerade dieselbe Flüssigkeit, die die genetische Umwandlung Van Der Merwes einleitet, auch ein Treibstoff sein?
– Warum entwickelt sich bei Van Der Merwe binnen Stunden eine ganze Alienhand, in den folgenden Tagen aber kein weiteres Körperteil mehr?

3 Gedanken zu “Kurz reingeschaut: District 9

  1. koh-i-noor schreibt:

    Ob die Gesellschaftskritik tatsächlich Ziel Nummer 1 des Films ist, mag man noch in Erfahrung bringen.
    Das mit dem Geballer, nun ja, ich mag es auch nicht unbedingt, doch berücksichtigt man den Schauplatz, macht es Sinn. Johannesburg ist Testarea für angehende Anwälte, warum wohl …

  2. Ich finde du beurteilst District 9 zu schlecht. Ich finde, es ist ein sehr unterhaltsamer science fiction Film mit einem interessanten Setting. Und ich bin nicht sicher, ob ein ‚City of God mit Aliens‘ wirklich spannend gewesen wäre.

  3. @Yoshi: Kann sein, dass ich zu streng bin. Aber der Trailer bewarb ein „City of God mit Aliens“, wie du schön schreibst. Ich wollte in erster Linie nur das haben, was man mir verkauft hat – und glaube in der Tat auch noch, dass das der bessere Film gewesen wäre.

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