Wie wenig bringt ein Trainerwechsel wirklich? Eine aktuelle Bestandsaufnahme.

Es ist ja kein neuer Gedanke, dass ein Trainerwechsel nicht die beste Idee ist, wenn es schlecht um die eigene Mannschaft steht. Aber diese Bundesligasaison scheint mir prädestiniert dafür zu sein, das Konzept des Trainerwechsels für alle Zeiten zu beerdigen. Hat es schon mal so viele neue Trainer gegeben, die dermaßen wirkungslos blieben?

  • André Breitenreiter folgte Roberto di Matteo zu Saisonbeginn, Schalke steht derzeit auf Rang 5, die Vorsaison endete auf Rang 6.
  • Armin Veh folgte zu Saisonbeginn bei Frankfurt auf Thomas Schaaf. Nach 43 Punkten in der Saison 14/15 wurde Veh nach 25 Spieltagen und 24 Punkten entlassen.
  • André Schubert folgte nach fünf Spieltagen bei Mönchengladbach auf Lucien Favre, hat seitdem in 21 Spielen 42 Punkte geholt (2 Punkte/Spiel), Favre in der Vorsaison 66 Punkte aus 34 Spielen (1,94 Punkte/Spiel).
  • Huub Stevens folgte im Oktober auf Markus Gisdol, Hoffenheim lag auf Platz 17. Stevens trat im Februar gesundheitsbedingt zurück, Hoffenheim lag auf Platz 17. Unter Stevens Nachfolger Nagelsmann holte Hoffenheim immerhin respektable 10 Punkte aus sechs Spielen, liegt aber immer noch auf Platz 17 und es wird zu beweisen sein, ob dieser Trend mittelfristig anhält
  • Thomas Schaaf folgte in der Winterpause bei Hannover auf Michael Frontzeck, der 14 Punkte aus 17 Spielen holte. Hannover holte unter Schaaf bislang drei Punkte aus neun Spielen.

Die Trainerwechsel, die Wirkung zeigten, will ich nicht unterschlagen:

  • Nach einer Katastrophensaison unter Klopp, die immer noch auf Rang 7 endete, spielt Borussia Dortmund jetzt wieder so erfolgreich wie in vielen Saisons vorher unter Klopp. Der aktuelle Punkteschnitt von 2,3/Spiel liegt fast exakt bei dem von Klopps Meistersaisons 2010/11 und 2011/12.
  • Jürgen Kramny folgte beim VfB auf Alexander Zorniger, Kramny holte seither 19 Punkte in 13 Spielen, was einem Schnitt von 1,5 Punkten pro Spiel entspricht, in der gesamten Vorsaison waren es 1,1 Punkte pro Spiel. Zorniger holte nur 0,8 Punkte/Spiel.

Die Trainerwechsel der 2. Bundesliga will ich nicht ganz so detailliert zusammenfassen, aber auf die folgenden Punkte verweisen:

  • Lautern entließ Runjaic Ende September auf Rang 12 liegend, dort steht man heute auch noch.
  • Duisburg entließ Lattieri Anfang November auf Rang 18 liegend, dort steht der MSV immer noch.
  • 1860 entließ Fröhling Anfang Oktober auf Rang 17 liegend, nach einer jüngst gestarteten kleinen Punkteserie steht man aktuell auf Rang 15, punktgleich mit Rang 16.
  • Paderborn entließ Gellhaus Anfang Oktober auf Rang 15 liegend, aktuell ist der Verein 17.
  • Und zu Fortuna Düsseldorfs inzwischen vierten Trainerwechsel (inklusive dem zu Saisonbeginn) muss ich wohl nichts sagen. Fortuna steht auf dem Relegationsplatz zur 3. Liga.

Wie offensichtlich muss noch werden, dass ein Trainerwechsel schlicht und einfach nichts bringt, jedenfalls nicht mit einer besseren Erfolgschance als 2 von 12, wobei man sogar noch darüber streiten kann, ob Klopp den BVB nicht auch schon wieder in die Spur gebracht hatte/hätte?

Bleibt als einziger markant erfolgreicher Trainerwechsel der des VfB Stuttgart. Und hier lag tatsächlich die erkennbare Ausnahmesituation vor, dass der entlassene Trainer ein System spielen ließ, das so offensichtlich zu risikoreich und zu wenig ausbalanciert war, dass es selbst Laien wie ich sehen konnte.

Ansonsten zeigt sich, dass ein Trainer ganz offensichtlich nur eins von vielen Rädern in einer Maschine ist, die so große Trägheitskräfte hat, dass schon mehr zusammen kommen muss als ein Wechsel auf einer Position, um einen auch nur mittelfristig wirksamen Umschwung einzuleiten.

Ausgerechnet hier in Köln aber zeigten zwei Vereine, wie es geht.

Beim Effzeh kam 2012 ein vernünftiger Präsident, es kamen ein Jahr später, noch in der 2. Liga, ein vernünftiger Geschäftsführer Sport und ein vernünftiger Trainer. Gemeinsam baute man eine Mannschaft und eine neue Philosophie auf und führte den Verein ruuuuhig, gaaanz ruuuuhig auf einen nun zum zweiten Mal gesicherten Nichabstiegsplatz der Bundesliga.

Und beim SC Fortuna Köln kam Anfang 2008 zusammen mit deinfussballclub.de Geschäftsführer Dirk Daniel Stoeveken, der nicht mit dem Herz am Verein hing und professionelle Strukturen einzuführen begann. Stoeveken holte dann mit Michael Schwetje einen Investor ins Boot, der nüchtern und erfolgsorientiert den eingeschlagenen Weg fortsetzte und auch noch das nötige Geld gab. 2011 trennte man sich vom damaligen Trainer Matthias Mink, der im übrigen nicht tabellarisch unerfolgreich war, aber wenig attraktiven Fußball spielen ließ und bei den Fans auch rein menschlich unbeliebt war. Es kam Uwe Koschinat, und gemeinsam baute man eine Mannschaft mit einer erkennbaren Spielphilosophie und weiterhin die nötigen Vereinsstrukturen auf, bis (glücklich in letzter Sekunde) 2014 der Aufstieg in den Profifußball glückte. Seitdem spielt die Fortuna in der 3. Bundesliga und scheint zum zweiten Mal am Ende deutlich die Klasse zu halten.

Aber die Fortuna demonstriert auch im Brennglas, wie eng Wohl und Wehe einer Fußballmannschaft beieinander liegen und wie viel vom Zufall abhängt. Denn was man langfristig als Verein beeinflussen kann, das ist die Gewinnwahrscheinlichkeit der Mannschaft. Man muss sich jedes Spiel wie einen Münzwurf vorstellen, bei dem man langfristig die Wahrscheinlichkeit erhöhen kann, dass Kopf fällt. Das schließt aber nie aus, dass fünfmal hintereinander Zahl fällt. Lucien Favre weiß, wovon ich rede. Bei der Fortuna wechseln sich lange Erfolgs- und lange Misserfolgsserien ab wie bei wenigen anderen Vereinen. Die Hinrunde der aktuellen Saison beendete Fortuna als 15. mit 22 Punkten (in einer 20er-Liga). In der Rückrundentabelle liegt man zurzeit auf dem 5. Platz, mit jetzt schon 18 Punkten und noch acht ausstehenden Spielen.

Unterm Strich sollte nach dieser Saison als endgültig bewiesen gelten, dass Vereine ihren Punkteschnitt oder ihre Tabellenplatzierung nicht alleine durch einen Trainerwechsel beeinflussen können. Was funktionieren kann, wenn es gut gemacht wird (memento KSC 2000), ist ein langfristiger, breit angelegter Wandel von Strukturen und Personen.

Wir werden sehen, ob Werder Bremen sich an diese Erkenntnis hält.

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